Etwas sehr spontan entschloss ich mich, an einem Weltrekordversuch im Österreichischen Heiligenblut am Großglockner mit dem Snowboard teilzunehmen. Ziel war es, innerhalb von 24 Stunden möglichst viele Höhenmeter zu sammeln.
Es war am Abend des 05. März 2009, als ich im Internet zufällig von einem Ski-Weltrekordversuch las. Drei Skifahrer aus Österreich und Deutschland wollten eine Woche später den Weltrekord im 24 Stunden-Höhenmeter-Fahren einstellen.
Vorgeschichte
Von 1998 bis 2003 gab es im Österreichischen Galtür den „BoardXcess“, ein 24-Stunden-Hochgeschwindigkeits-Snowboardrennen mit Spitzengeschwindigkeiten von 133 km/h, an dem ich regelmäßig teilgenommen hatte. Damals sind wir in Zweier-Teams angetreten, wobei immer nur ein Team-Mitglied auf der Piste war während der zweite Fahrer ruhte. 2003 wollte mein damaliger Rennpartner nicht mehr mitfahren weshalb ich das Rennen als einziger Teilnehmer und außer Konkurrenz allein bestritt. Zwei Wochen nach diesem Rennen erfuhr ich auf der Winter-ISPO von einem Weltrekordversuch, der einen Monat später in der SkiWelt Wilder Kaiser (Österreich) stattfinden sollte: 5 Skifahrer wollten 7 Tage dauerskifahren. Spontan entschloss ich mich dazu, den Skifahrern Gesellschaft zu leisten. 5 Wochen später hatte ich die Marke im Dauersnowboarden von 110 auf 168 Stunden (7 Tage) verschoben.
Seit 2003 habe ich leider keinen passenden Event mehr gefunden, bei dem ich mich einen Tag lang hätte austoben können. Bis der Weltrekordversuch in Heiligenblut kam. Training hin, Training her… für mich war klar: Ich will da mitfahren! Also rief ich kurzentschlossen beim Veranstalter an ob ich bei dem Weltrekordversuch antreten dürfe. „Prinzipiell nein!“ hieß es zunächst. Eine knappe viertel Stunde und viel Überredungskunst später hatte ich das „go“.
Ein Team muss her!
Eigentlich ein kompletter Wahnsinn, 24 Stunden so ganz ohne Training durchfahren zu wollen. Schließlich hatten alle Skifahrer ein ganzes Jahr für diesen Weltrekordversuch trainiert! Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Erfolg oder Misserfolg zu einem sehr großen Teil von Willenskraft bestimmt werden – und wenn ich schon alles andere nicht habe, Willenskraft habe ich! Jetzt hing die Machbarkeit nur noch von organisatorischen Dingen ab, ich brauchte ein Support-Team! Denn allein geht gar nichts. Woher soll ich etwas zu Essen oder Trinken bekommen wenn ich nonstop auf der Piste bin? Über die Netzathleten fand ich schnell Dennis Buttler, der sich in der DOG-Initiative „Fair Play“ engagiert und sich sehr spontan dazu bereit erklärte, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Dazu kamen dann noch mein Bruder Benny, selbst Leistungssportler im Downhill Mountainbiking (auch hier bei den Netzathleten), und zwei seiner Freunde, Steffen Strobel und Tobias Bürkle. Damit hatte ich 4 Teamer, die sich jeweils zu zweit in Schichten abwechseln konnten. Von den damaligen Rennen und Rekorden wusste ich, was ich vorzubereiten hatte: Funkgeräte, Nahrung, Urinflaschen, Werkzeug… So waren wir für unser Vorhaben gut organisiert.
Die Mitstreiter
Am Start war unter anderem Dauerski-Weltrekordfahrer Christian Flühr, der am 14. Januar 2009 den Rekord auf 53.577 Höhenmeter gesetzt hatte. Dieser war aber schnell gebrochen, denn der Tiroler Ausdauersportler Franz Venier fuhr nur einen Monat später bei Innsbruck 92.160 Höhenmeter. Venier war zwar auch in Heiligenblut gemeldet, konnte aber offenbar aufgrund einer Verletzung nicht teilnehmen. Herausforderer und Weltrekord-Newcomer waren die beiden sympathischen Mölltaler Lokalmatadoren und Heinrich und Balthasar Egger (49 & 45 Jahre alt!), die für den Rekordversuch mehr als ein Jahr trainiert und sich 95.000 Höhenmeter als Ziel gesetzt hatten. Als einziger Snowboarder rundete ich das Teilnehmerfeld ab. Offenbar gab es noch gar keinen 24-Stunden-Snowboard-Rekord, weshalb ich das Rennen eigentlich entspannt angehen konnte.
Der Startschuss fällt!
Am Samstag, 14.03.2009 fiel um 14 Uhr an der Schareck-Bergstation auf 2.600 Meter Höhe der Startschuss. Mit kräftigen Schritten katapultierten sich die Egger-Brüder auf die Piste, ich direkt hinterher. Während die beiden Brüder vom Start weg in Abfahrtshocke gingen ließ es Christian ruhig angehen, wedelte gemütlich die Piste runter und spekulierte darauf, dass seine Konkurrenten das schnelle Tempo nicht bis zum Schluss durchhalten würden. Unten angekommen waren die beiden Eggers so schnell, dass sie in das Gondelgebäude rutschten. Rund 10 Sekunden später tat ich es ihnen gleich, woraufhin diese Wand schnell abgepolstert wurde.
Meine Taktik bei solchen Rennen: Jede Kurve kostet Kraft! Außerdem macht schnell fahren Spaß! Was liegt da näher als ein langes Snowboard mit langer Kante zu fahren? Denn „Länge läuft!“ Mein Rennbrett war stolze 2,29 Meter lang. Mit diesem einmaligen Prototypen der Schweizer Edelboardschmiede „Radical“ konnte ich ohne weiteres Geschwindigkeiten weit jenseits von 100 km/h fahren. Einziges Problem: Das Board musste bei den Bergfahrten immer zusätzlich mit Kletter-Karabinern an der Gondel gesichert werden, da es sonst aus der Halterung zu fallen drohte.
Doch bereits nach wenigen Abfahrten merkte ich, dass ich das enorme Tempo der Egger-Brüder nicht halten konnte und mein eigenes Tempo finden musste.
Die warmen Temperaturen ließen mich schnell schwitzen, so dass ich unter meinem Rennanzug bald ein Funktions-Oberteil ablegte. Die Piste war leider schon etwas zerfahren und wies zahlreiche Mulden, Schläge und Buckel auf, was allen Teilnehmern mehr als einmal zum Verhängnis wurde und zu zahlreichen Stürzen führte. Da der Schnee sehr nass und schwer war konnte die Piste erst am späten Nachmittag neu präpariert werden ohne dabei beschädigt zu werden.
Von Anfang an fiel mir die enorme Hilfsbereitschaft des Liftpersonals allen Beteiligten gegenüber auf: Ob mein Snowboard aus der Gondel gehievt werden oder an der Talstation Ski geöffnet werden mussten, immer war jemand unaufgefordert zur Stelle.
Mit Highspeed talwärts!
Nachdem am frühen Abend die Piste frisch präpariert worden war konnte ich endlich richtig „aufdrehen“ und meine Höchstgeschwindigkeit stellenweise auf rund 130 km/h hochschrauben. Zum hämmernden Sound meines mp3-Players brauchte ich bestenfalls nur gute 1 ½ Minuten für die 802 Höhenmeter Abfahrt, auf die jeweils rund 8 Minuten Gondelfahrt folgten.
Erfolg und Misserfolg liegen nahe beieinander
Mit Einbruch der Dunkelheit kam aber die Ernüchterung: Die Piste war nicht ausreichend beleuchtet! Heinrich und Balthasar Egger hatten vorsorglich starke Expeditions-Scheinwerfer auf ihren Helmen vorbereitet, aber ich hatte lediglich eine LED-Stirnlampe, die gerade einmal ausreichte, um in der Gondel einen Beutel Magnesiumpulver zu finden. Und dann passierte auch noch ein Unglück: Heinrich Egger brach sich bei einem schweren Sturz ein Fußgelenk und zog sich einen Kreuzbandanriss zu! Auch ich hatte aufgrund der schlechten Sicht mehrere Stürze gehabt, so dass ich mich um 21 Uhr dazu entschied, bis zum Morgengrauen auszusetzen. Mit 33.684 Höhenmetern auf dem Konto hatte ich gut genug vorgelegt, um immer noch zumindest 60.000 Höhenmeter machen zu können.
Nach ein paar Stunden Schlaf stand ich um 6 Uhr morgens wieder auf der Piste. Christian Flühr hatte um 1 Uhr mit 37.694 Höhenmeter und einem gebrochenen Skischuh aufgegeben, somit war Balthasar Egger nur noch allein auf der gut 2 km langen Piste unterwegs. Die Sicht war leider nicht so gut wie am Vortag, die Sonne blinzelte nur selten durch die Wolken. Die Piste war nur sehr schlecht zu erkennen und so entschloss ich mich, das Rennen mit gedrosseltem Tempo zu Ende zu fahren. Gegen 9 Uhr ließ ich von Benny und seinen Freunden in einer mehrstündigen Aktion die Seitenränder der Piste mit Tannenzweigen markieren, was Balthasar und mir die Orientierung sehr erleichterte. Trotzdem war das Rennen extrem anstrengend und trotz der riesigen Menschenmenge, die uns bei jedem Lifteinstieg frenetisch anfeuerte, fieberte ich dem Ende entgegen.
Zieleinlauf
Unter dem tosenden Beifall der mehreren hundert Zuschauer fuhren Balthasar Egger und ich am Sonntag um 14 Uhr ins Ziel. Balthasar hat den Weltrekord auf unglaubliche 103.458 Höhenmeter geschraubt, herzlichen Glückwunsch zu dieser grandiosen Leistung! Ich konnte immerhin noch mit 62.556 Höhenmetern einen Snowboard-Weltrekord verbuchen.
Nächstes Jahr ist in Heiligenblut ein neuer Weltrekord geplant. Wenn Beleuchtung und Pistenmarkierungen optimiert werden bin ich mir sicher, dass ich erneut antreten werde!